Franziskaner in Hamburg

Seit 1958 gibt es wieder Franziskaner in Hamburg.
Zur Gemeinschaft gehören akutell 3 Brüder: Br. Frank, P. Hermann-Josef, P. Thomas.
Hauptaufgaben sind die Betreuung des Studierendenwohnheims (Franziskus-Kolleg) und der Hochschulgemeinde, sowie die Krankenhausseelsorge.

www.franziskaner-hamburg.de

Die Anfänge des Franziskanerordens und seine Brüder in Hamburg bis zur Reformation

von Ronald A. Wessel OFM

Die ersten Franziskanerklöster in Norddeutschland gab es: 1223 in Hildesheim, Goslar, Braunschweig, Magdeburg und Halberstadt, 1225 in Lübeck, 1229/35 in Lüneburg.
(Chronik des Jordan von Giono, 1262)

Das Hamburger Franziskanerkloster wird um 1230 entstanden sein. Graf Adolf von Schauenburg wird als „Begründer“ des Marien-Magdalenen-Klosters genannt, in dem die Franziskaner lebten.
Über den Details der Gründung des Marien-Magdalenen-Klosters aber liegt ein schwer zu durchdringendes Dunkel. Sicher ist, dass Graf Adolf IV. 1239 in dieses Kloster eintrat und später die Priesterweihe empfing. Der Grund war ein Gelübde des Grafen vor der Schlacht gegen den Dänenkönig Waldemar II. im Jahre 1227. Er gelobte am Festtag der Heiligen Maria Magdalena, er wolle aller weltlichen Dinge entsagen und in ein Kloster gehen, wenn er die Schlacht gewinne. Deswegen erhielt das Kloster ihren Namen und ihr Patronat.
Vermutlich wurden vor 1239 schon Kirche und Klausur errichtet und der Kirchhof auf ein Werder angelegt. Heute ist es der Adolphsplatz hinter dem Rathaus, wo sich die Börse befindet.

Aufgaben der Franziskaner in Hamburg
Das Domkapitel gewährte den Brüdern in relativ kurzer Zeit die gleichen Rechte wie sie auch der Weltklerus hatte, wenn dieser auch das Tun der Franziskaner argwöhnisch betrachtete.
Für die Franziskaner gab es drei wichtige Betätigungsfelder:
Die „normale“  Seelsorge
Das Begräbnisrecht
Die Krankenpflege
Für die Ausstrahlung in Stadt und Gesellschaft war vor allem das Begräbnisrecht bedeutsam. Hier kamen die Lebenden zusammen, um ihrer Toten zu gedenken.
Die Franziskaner waren zugleich die Ansprechpartner für Vigilien, Messen und andere Gedenkfeiern.
Das Totenbuch zeigt, dass bei den Hamburgern die franziskanische Begräbnisstätte sehr beliebt war. 1250 Namen vom späten 13. Jahrhundert bis zum frühen 16. Jahrhundert werden im Necrologium aufgeführt,  darunter viele Ratsherren und Bürgermeister.
Das Totengedächtnis hatte auch eine Sozialfunktion für die Lebenden: Es ging um die Kontakte zwischen den Verwandten, den Freunden, den Gilden und Bruderschaften, die sich immer wieder zu verschiedenen Totengedenken trafen.
Es war eine Selbstvergewisserung der Gruppe, die für ihren Fortbestand und für ihre Dauer in jener Zeit unerlässlich war. Zugleich war es die Vergewisserung der eigenen Geschichte. Ein Grab an oder in der Kirche bot dreifachen Nutzen:
Die Verstorbenen wurden in den Fürbitten eingeschlossen
Die Toten durften auf die hilfreiche Fürbitte der Heiligen hoffen
Name und Rang der Bestatteten konnten durch eine entsprechend gestaltete Grabplatte, durch ein Epitaph oder die Anbringung eines Wappens der Nachwelt überliefert werden.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich schon zu Lebzeiten die Menschen um einen Platz auf dem Friedhof bewarben: Üblich waren Legate, Testamente, Verfügungen, Schenkungen etc..
Nicht zuletzt der Besuch der Gottesdienste  wies sie als christliche Menschen aus. Gleichzeitig wuchs die Verbundenheit zwischen der Bevölkerung und dem Kloster.
Des weiteren zeigt sich das hohe Ansehen des Klosters in der Anzahl der

Bruderschaften, die St. Marien-Magdalena als ihre Heimat wählten – mit 15 Bruderschaften wurde sie nur noch von St. Jakobi übertroffen, die 18 zählte.
Unter den 15 waren einflussreiche Gilden und Gruppen wie die Kaufmannsgesellschaften, die der Schonen und Islandfahrer, der Brauer und Bäcker. Nicht zuletzt wurde in der Klosterkirche in unmittelbarer Nähe des Magdalenenaltares für Rat und Bürgermeister ein eigenes Chorgestühl angebracht.
In zahlreichen Fällen – gerade von den Notleidenden der unteren Schichten wurden die Minderbrüder, wie die Franziskaner sich nannten, gebeten, Urkunden und Abschriften zu beglaubigen oder in Rechtsstreitigkeiten zu vermitteln. Hier standen sie eher auf Seiten der Armen und Schwachen als auf der Seite der Reichen und Mächtigen der Stadt.
Sie begleiteten Fischer auf See und standen den zum Tode Verurteilten bei. Das Kloster besaß auch das wichtige Privileg des Asylrechts, weil ihr Kloster auf dem Grund und Boden des Stadtherrn Graf Adolf stand. Dieses Asylrecht wurde im „Langen Rezess“ ausdrücklich 1529 noch einmal bestätigt.
Der andere Schwerpunkt der Brüder war die Krankenpflege. Schon beim Bau des ersten Klosters gab es einen Krankensaal, der bei der Vergrößerung der Klosteranlage 1314 noch einmal ausdrücklich erwähnt wird.
Die Bedeutung des Klosters in Hamburg für den Orden der Franziskaner selbst zeigt sich u.a. darin, dass hier Provinzkapitel (oberstes Entscheidungsgremium für eine Ordensprovinz) stattfanden und 1386 und 1463 sogar Generalkapitel (Treffen und oberstes Entscheidungsgremium des Gesamtordens).

Die Reformation und die Franziskaner
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts sah man die Missstände in der Kirche besonders deutlich. Gegen diese Missstände predigte der Reformator Martin Luther.
Für die Reformation in Hamburg war das Franziskanerkloster St. Marien Magdalenen ein wichtiger Kristallisationspunkt: Ostern 1523 kam der Franziskaner Stephan Kempe aus Rostock nach Hamburg und begann, in der Klosterkirche die Lehren Martin Luthers zu predigen. Die Predigten fanden großen Zuspruch. Es kamen nicht nur Bürger der Mittel- oder Unterschicht, sondern „Arme und Reiche laufen zu den Predigten in Marien Magdalenen“.


Als am Fronleichnamstag desselben Jahres bekannt wurde, Stephan Kempe sei auf Druck des Domkapitels von seinem Provinzial abberufen worden, kamen 60 Bürger zum Guardian (Hausoberen), um die Versetzung zu verhindern. Unverhohlen drohten sie mit einem Boykott des Klosters durch die Bevölkerung. Schließlich war sie es, die die Franziskaner „fütterten“ und nicht der Provinzobere.
Die Bürger hatten Erfolg: Stephan Kempe blieb – trotz massiver Kritik durch das Domkapitel und von den Mitgliedern des Dominikanerklosters  St. Johannis sowie etlicher anderer Geistlicher der Stadt.
Ein weiterer Schritt zur Reformation vollzog sich am 18. Dezember 1527 durch die Einführung der neuen „Kistenordnung“(Verwaltung der Spenden und Schenkungen), die eine Reform des Armenwesens beinhaltete.
Galt doch bislang: Nicht die Bedürfnisse des Empfängers von Almosen waren ausschlaggebend, sondern die des Spenders. Das bedeutete: Arme, Bettler, Witwen und Waisen waren nicht nur allgemein akzeptiert, sondern sie waren geradezu heilsnotwendig: Der Spender konnte sich mit seinem Almosen Verdienste für das ewige Leben erwerben, sich gleichsam den Himmel erkaufen.

Die Rechtfertigungslehre Martin Luthers und sein Bezug auf den paulinischen Gedanken, dass die Mitglieder aufeinander angewiesen sind ( 1 Kor, 12, 12-31), veränderte diese Sichtweise völlig. Allein aus Gottes Gnade ist der Mensch durch seinen Glauben vor Gott gerechtfertigt. Er bedarf nicht der guten Werke, um die Vergebung der Sünden zu erlangen. Doch bewegt der Glaube dazu, und Gottes Wort lehrt, die Nächstenliebe zu üben.
Diese veränderte Auffassung führte in Hamburg dazu, dass auswärtige Bettler nicht mehr in die Stadt durften und das Bettelwesen stark eingeschränkt wurde.
Auch die Bettelorden (Franziskaner und Dominikaner) litten darunter, ihre Lebensgrundlage wurde ihnen genommen; denn auch sie durften ihren Lebensunterhalt nicht mehr erbetteln. Das führte zum Ende ihrer Existenz in Hamburg. Für das Kloster der Franziskaner kam der Zeitpunkt exakt 302 Jahre nach dem Gelübde Graf Adolfs am 22. Juli 1529. Der Konvent unterstellte sich dem Rat der Stadt Hamburg. Juristisch relevant wurde es allerdings erst später durch den Vertrag von 1531 zwischen den Vorstehern der Gotteskasten (Verwaltung der Sozialfonds) und dem Kloster.
Dieser Vertrag gestand jedem Klosterbewohner jährlich 20 Mk lübsch Rente auf Lebenszeit zu sowie ein Geschenk von 5 Mk lübsch, wenn er ganz den Orden verließ. Zugleich erhielten sie auch das Privileg, sich in das Hospital zum Heiligen Geist einkaufen zu können. Daraufhin gab der Guardian des Marien-Magdalenen-Klosters, Dr. Joachim Ellerhoff, das Klostersiegel an den Rat der Stadt – behielt aber mit seiner Frau Grete, die er inzwischen geheiratet hatte, freie Wohnung in einem Haus bei der Kirche, bis er 1536 starb.
Die segensreiche Tätigkeit der Franziskaner in Hamburg war damit vorerst beendet.
Für das Jahr 1534 ist belegt, dass das St. Elisabeth-Hospital in das Marien-Magdalenen-Kloster verlegt wurde.
(Quelle: Frank Hatje „Gott zu Ehren, der Armut zum Besten“ Convent-Verlag, Hamburg 2002)