Raum der Stille - Uni Hamburg

Mitten auf dem Campus der Universität befindet sich der Raum der Stille. Diese Insel im Alltag der Betriebsamkeit soll dazu einladen, den Alltag hinter sich zu lassen und in eine Welt einzudringen, die Hörsäle, Labors und Büros nur aus der Ferne betrachtet. Hier findet man Ruhe, kann man meditieren oder in Andacht verweilen. Der Raum der Stille will aber nicht nur Gebets- und Meditationsort sein, sondern auch ein Ort des interreligiösen und interkulturellen Dialogs.
Der Raum der Stille lädt ein,
sich Zeit für sich selbst zu nehmen,
… für einige Augenblicke STILLE
… Uni Uni sein zu lassen
… auszuruhen
… nachzudenken
… zur Mitte zu finden
… zu meditieren
… zu beten
Eine Oase im turbulenten Alltag

Am 29.8.2006 unterzeichneten Mitglieder religiöser Hochschulgruppen mit dem Präsidenten der Uni einen Nutzungsvertrag für den Raum der Stille auf dem Campus. Seit dieser Zeit wird der Raum, der dann 2009 seine offizielle Einweihung erfuhr, genutzt. Am 1. Juni 2016 haben wir das 10-jährige Jubiläum gefeiert!

Adresse

Universität Hamburg
Von-Melle-Park 11
20146 Hamburg

(Nebengebäude der Psychologie)

Hier geht's zum Raum der Stille

Eine Hausarbeit über die Entstehung und Konzeption des Raums der Stille
Erstellt am März 19, 2011

Quelle:  http://raumderstille.wordpress.com/2011/03/19/raum-der-stille-an-der-universitat-hamburg/

Raum der Stille an der Universität Hamburg
Wir wussten, dass es einen Raum der Stille an der Universität Hamburg gibt, jedoch nicht, an welcher Stelle er sich befand. So begaben wir uns auf die Suche und fanden ihn schließlich auch. Um mehr über diesen Raum zu verfahren als auf den ersten Blick zu erkennen war, wand ich mich an den katholischen Hochschulpfarrer Pater Thomas Ferenčik. Da es für den Raum kein schriftliches Konzept gibt, sind das Interview, das ich mit Pater Thomas Ferenčik geführt habe, und einige Zeitungsartikel die Informationsquellen, auf die ich die folgende Beschreibung der Entstehung und Entwicklung dieses Raums stützen werde.
Zunächst werde ich auf die Frage eingehen, warum dieser so genannte „interreligiöse Raum der Stille“ an der Universität entstanden ist und wie er sich bis heute entwickelt hat.
Zunächst bildete sich als Reaktion auf den 11. September 2001 an der Universität der interreligiöse Dialogkreis „Touch of Civilisation“ („ToC“), dessen Teilnehmer aus der islamischen (IHG), der evangelischen (ESG) und der katholischen Hochschulgemeinde (KHG) sowie aus der Baha’i Gemeinde, dem Buddhistischen Zentrum und dem Tibetischen Zentrum kamen. Dieser Dialogkreis hatte zum Ziel, „unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Religionen Raum [zu] geben […] und den Meinungsaustausch wie auch das Verständnis zwischen den Religionen [zu] fördern […].“(1)  Auf Initiative des „ToC“ wurde ein Raum der Stille gegründet, um einen Ort zu schaffen, an dem dieser Austausch stattfinden konnte. Da der damalige Leiter der ESG einen guten Kontakt zu den Erziehungswissenschaften pflegte, wurde dort ein Raum bereitgestellt, in dem sich der Dialogkreis treffen konnte. 2004 wurde der Bereich der Erziehungswissenschaften saniert und in dem Zuge musste der Raum wieder abgegeben werden. Ab dem Zeitpunkt waren der „ToC“ und davon ausgehend vor allem die islamische, die katholische und die evangelische Hochschulgemeinde auf der Suche nach einem neuen Raum. Nach einiger Zeit wurde ihnen ein Raum, in dem sich bis dahin zwei Büros befanden, von der Universität angeboten.

Dieser Raum wurde entkernt und neu gestaltet. 2006 wurde dann ein Nutzungsvertrag mit dem Universitätspräsident Dr. Dr. h.c. Jürgen Lüthje geschlossen. Darin wurde festgehalten, dass die Universität für die Behebung aller technischen Mängel und der „ToC“ für die Innengestaltung und die Sauberkeit verantwortlich sind. Zurzeit sind Pater Thomas Ferenčik, der Hochschulpfarrer der KHG und die Vertreter der IHG dafür zuständig.
Nach dem Abschluss des Nutzungsvertrags vergingen noch ein paar Jahre bis die offizielle Eröffnung des bis heute bestehenden „interreligiösen Raums der Stille“ im Juni 2009 gefeiert wurde. Nach unserer obigen Kategorisierung bedeutet „interreligiöser Raum der Stille“, dass es keine festen Symbole gibt, um eine Gleichberechtigung der verschiedenen Religionen zu ermöglichen. Auch in diesem Raum gibt es keine festen Symbole, wobei es bei der Einrichtung des Raums mehrere Überlegungen gab, wie der Raum gestaltet werden könnte. Dabei wurde unter anderem überlegt, ob Symbole fest in den Raum integriert werden sollen.
Diese Überlegung wurde jedoch verworfen, da festgestellt wurde, dass dadurch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einige Religionen nicht berücksichtigt würden. Eine andere Überlegung war, einzelne Nischen für die verschiedenen Religionen zu schaffen, was jedoch unter anderem aus Platzgründen nicht realisiert wurde. Letztendlich wurde sich dann dafür entschieden, keine festen Symbole aufzunehmen, um den dialogischen Charakter als ein Ganzes zu unterstützen. Durch den Raum als ein Ganzes soll auch das Miteinander gefördert werden. Das passiert beispielsweise, wenn Angehörige verschiedener Religionen nebeneinander beten. Dadurch, dass es keine zugewiesenen Nischen gibt und jeder in diesem Raum an einem unbestimmten Platz betet, kommt nach Pater Thomas Ferenčiks Erfahrung ein Gemeinschaftsgefühl auf. Um bestimmte Symbole bei Bedarf nutzen zu können befindet sich in dem Raum ein Schrank, in dem diese aufbewahrt werden können. Außerdem gibt es eine verstellbare Trennwand, Sitzkissen und -hocker, ein Schuhregal und ein Waschbecken. In einem offenen Regal stehen einige Bücher, wie der Koran, eine Bibel und ein Buch über die Lebensgeschichte Mohammeds. Außerdem befindet sich dort noch eine Mappe, in der verschiedene Gebete der Weltreligionen enthalten sind. Zusätzlich gibt es noch das Angebot, in einem Buch Eindrücke und Gedanken aufzuschreiben. Der ganze Raum ist mit Teppich ausgelegt, die Wände sind in Gelb-und Orangetönen gestrichen und auch die Fenster sind durch orange-gelbe Folien abgeklebt, sodass man von Blicken von draußen geschützt ist.
Im Raum selbst hängt an der Wand ein Schreiben, in dem man begrüßt wird und in dem auch die Absicht des Raums deutlich gemacht wird:
„Der Raum der Stille soll zur Besinnung einladen. Er steht Menschen aller Religionen, Bekenntnisse und Weltanschauungen zur Verfügung. Der Raum der Stille soll ein Ort sein, an dem Studierende beten, meditieren und zur Ruhe kommen können. Durch die Nutzung der aus verschiedenen Kulturen und Religionen stammenden Studierenden bekommt der Raum der Stille den Charakter eines interreligiösen Zentrums auf dem Campus.“ (2)
Als Information hängt in dem Raum der Stille eine Liste mit den regelmäßigen Terminen, die dort während der Vorlesungszeit stattfinden. Dienstags findet eine ökumenische Mittagsandacht statt und um 17.30 Uhr findet von der IHG das sogenannte „Hadith“ statt. Mittwochmittag findet eine Meditation in der Tradition des Zen-Buddhismus statt und Donnerstagmittag findet eine Gebetsstunde der SMD (Studentenmission Deutschland) statt. Am Freitag findet abschließend das Freitagsgebet von der IHG statt. Insgesamt ist das Bestreben der Verantwortlichen jedoch, die festen Termine gering zu halten, um den Raum möglichst zu jeder Zeit für jeden zugänglich zu machen. Herauszuheben ist dazu, dass der Raum regelhaft von 8 Uhr bis 21 Uhr geöffnet von Montag bis Samstag geöffnet ist. Nutzungsbedingungen für den Raum gibt es nur sehr wenige. Dazu gehört jedoch, dass die Schuhe ausgezogen werden, dass kein Eis gegessen werden darf und dass kein Müll hinterlassen werden soll. Das steht alles in der Schrift, in der der „ToC“ die Besucher begrüßt. Pater Thomas Ferenčik meinte, dass davon ausgegangen wird, dass alle sich gegenseitig mit Achtung begegnen, da es ein „interreligiöser“ Raum der Stille sei. Außerdem sagt der Name des Raums schon, dass man sich ruhig zu verhalten hat, da dieser Raum auch von der Stille getragen wird.

Wie frequentiert der Raum ist, kann nicht genau gesagt werden, aber er wird regelmäßig genutzt und die Anzahl der Personen beläuft sich auf bis zu 30 Personen beim Freitagsgebet. In Bezug auf die Frage, ob der Raum zum Dialog zwischen den Religionen beiträgt, antwortete Pater Thomas Ferenčik, dass sich die Ausrichtung seit dem Bestreben nach dem 11. September 2001 verändert hat. Anfangs lag der Schwerpunkt eindeutig auf dem Dialog und dem Austausch über verschiedene interreligiöse Themen. Bis vor ca. 4 Jahren waren die Studenten, die sich 2001 im „ToC“ engagiert haben, noch aktiv. Heute sind jedoch von der ursprünglichen Gruppe keiner mehr im „ToC“ und das Bestreben in den Dialog zu treten ist zurückgegangen. Deshalb finden zurzeit keine Veranstaltungen mehr statt, die auf den Dialog ausgerichtet sind. Insgesamt ist auch die Beteiligung der verschiedenen religiösen Gruppen zurückgegangen und so bringen sich nur noch die IHG und KHG aktiv bei der Gestaltung des Raums ein. Somit ist die ursprüngliche Intention, die zu der Gründung geführt hat, in den Hintergrund getreten und durch eine neue ersetzt worden. Im Moment wird der Dialog zwar wenig gefördert, jedoch wird deutlich, dass der Raum von denen gestaltet wird, die ihn auch nutzen. So bleibt jedem die Möglichkeit offen, sich bei der Gestaltung des Raums zu engagieren und eigene Veranstaltungen anzubieten oder zu initiieren. Sobald also das Bedürfnis nach einem Dialog wieder stärker wird, könnten auch dementsprechende Veranstaltungen wieder angeboten werden.
In dem „Gästebuch“ lässt sich durch die Rückmeldung der Besucher erkennen, dass sie froh darüber sind, dass es an der Uni so einen Raum gibt. Jedoch kann die Frage gestellt werden, inwieweit so ein Raum der Stille an einer Universität, die eine nicht-religiöse Institution darstellt, notwendig ist und legitimiert werden kann. Karl-Josef Kuschel hat einige Punkte angeführt, in denen er die Legitimation und die Notwenigkeit solcher Räume in nicht-religiösen Institutionen deutlich macht. (3)  Im Folgenden werde ich überprüfen, ob diese Gründe auch auf den Raum der Stille an der Universität Hamburg bezogen werden können. An Universitäten gibt es sehr viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Kulturen und Religionen auch unterstützt durch Programme wie „Erasmus“ und Bachelor und Master. Diese Menschen begegnen sich, arbeiten miteinander und tauschen sich aus. Damit ist eine erste Voraussetzung nach Kuschel für die Entstehung eines multireligiösen Raums gegeben. (4) Dadurch, dass viele Studenten schon die Erfahrung gemacht haben selbst in einem anderen Land und in einer fremden Kultur zu leben, steigt der Respekt und die Achtung vor anderen Glaubensüberzeugungen und mit diesem Respekt und den unterschiedlichen Kulturen, die sich an der Universität befinden, steigt das Bedürfnis nach dem Recht der freien Religionsausübung. Erst mit diesem Bedürfnis wird auch das Bestreben nach einem einzigen, ungeteilten Andachtsraum stark. Eine weitere Voraussetzung für einen interreligiösen Raum der Stille besteht darin, den „Anderen“ bzw. die „andere“ Religion als eine Möglichkeit ansieht die Präsenz des Spirituellen zu erfahren.
Innerhalb einer nicht-religiösen Institution wie der Universität stellt einen Raum der Stille ein besonderer Raum dar. So meinte Pater Thomas Ferenčik, dass er die Universität als eine Art „Kleinstadt“ ansieht, die ein spirituelles Zentrum benötigt. Das setzt schon voraus, dass die Universität ein Ort ist, an dem man einen Teil seines Lebens verbringt und somit wird ein Raum benötigt, in dem man sich zurückziehen kann, in dem man Ruhe findet, meditieren und beten kann, was Kuschel als Legitimation für einen multireligiösen Raum der Stille ansieht.
Anders als bei einem universal religiösen Raum der Stille werden in dem interreligiösen Raum der Stille in Hamburg keine Symbole verwandt, die von allen Religionen gleichermaßen verstanden werden, sondern jeder Besucher hat die Möglichkeit seiner Religion entsprechend Symbole nach Bedarf zu verwenden und zu nutzen.
Mir persönlich erscheint der Raum der Stille an der Universität Hamburg eine sinnvolle Einrichtung zu sein, wobei ich mir noch ein vermehrtes Angebot an Veranstaltungen für den Dialog wünschen würde.

1 http://www.khg-hamburg.de/Programm_der_KHG_Hamburg.pdf S.23
2 vgl. Anhang 2: Begrüßungszettel des „ToC“.
3 vgl, Kuschel (2010): S. 10.
4 vgl. Kuschel (2010): S. 10.